Kann ich als Führungskraft meine eigenen Mitarbeitenden coachen?

„Kann ich als Führungskraft meine eigenen Mitarbeitenden coachen?“

 

Das werde ich oft im Führungskräftecoaching gefragt. Ich sage dann immer „Jein“. Denn es kommt ein bisschen drauf an, was genau mit Coachen gemeint ist. Eine eindeutige und allgemeingültige Definition für den Begriff „Coaching“ gibt es ja nicht.

 

·       Will man als Coach dem Gegenüber zu mehr Selbstreflektion und Bewusstsein verhelfen?

·       Empfindet man die Aufgabe des Coaches als Motivator und inspirierende Mentorin?

 

Dann kann es durchaus möglich sein, die eigenen Teammitglieder zu coachen.

 

·       Oder versteht man die Rolle der oder des Coaches als Sparringspartner auf Augenhöhe?

 

Und schon kann es schwierig werden. Denn egal, wie flach die Hierarchie deiner Meinung nach in deinem Unternehmen ist und wie sehr du davon überzeugt bist, deinen Mitarbeitenden auf Augenhöhe zu begegnen: für die meisten Angestellten gibt es da eben schon ein kleines bis größeres Machtgefälle zwischen ihnen und dir als Führungskraft.

 

In „normalen“ Coachings zwischen professioneller Coach und Klient*in passiert es häufig, dass der Klient oder die Klientin Zweifel äußert wie „Ich weiß gar nicht, ob mein Job noch der Richtige für mich ist.“ Meinst du, das würde ein Teammitglied so offen sagen, wenn du Vorgesetzte*r und Coach in einer Person bist?

 

Oder auch Aussagen wie:

 

„Ein Teil von mir wünscht sich, sich eines Tages doch noch selbstständig zu machen“

„An manchen Tagen mache ich nur noch Dienst nach Vorschrift“

„Bin ich überhaupt kompetent genug für meine jetzige Position?“

 

So etwas wirst du als Führungskraft, die versucht, ihr Team zu coachen, wahrscheinlich eher selten hören. Also stellt sich die Frage: wie offen wird ein Teammitglied zu seinem/seiner Vorgesetzten sein? Und alle, die bereits ein Coaching erlebt haben, werden wahrscheinlich wissen: Ein Coaching wird umso erfolgreicher und nachhaltiger wirken, wenn absolute Offenheit und Vertraulichkeit zwischen beiden Beteiligten herrschen.

 

Weitere Punkte, die meiner Meinung nach gegen das Coachen als Führungskraft sprechen:

 

·       Kein Coaching ohne Auftrag! Gut gemeinte Tipps und Ratschläge zu geben, ohne, dass man darum gebeten wurde, das zu tun, ist kein Coaching. Im besten Falle ist es wohlwollendes Beraten, im schlechtesten Falle ist es einfach nur übergriffig und kann sich manipulativ anfühlen.

 

·       Du kannst eine großartige und wertschätzende Führungskraft sein, aber du bist eben keine neutrale und außenstehende Person, sondern Teil des Systems und im ungünstigsten Fall vielleicht sogar Teil des Problems deiner Mitarbeiter*innen.

 

·       Mir als Coach ist es einfach nur wichtig, dass meine Klient*innen nach dem Coaching klarer sehen, stimmige Entscheidungen treffen, kurz:  dass sie ihre Ziele erreichen und glücklich sind. Ob meine Klientin nach unserem Coaching beschließt, zu kündigen, die Arbeitsstunden zu reduzieren, sich krankzumelden etc. betrifft mein eigenes System ja überhaupt nicht. Insofern werde ich niemanden im Coachingprozess zu etwas drängen oder in eine bestimmte Richtung lenken, sondern einfach nur die (hoffentlich) richtigen Fragen stellen und Übungen und Tools zur Verfügung stellen, damit dann mein Coachee zu seiner oder ihrer ganz individuellen Lösung kommt. Der Klient oder die Klientin gibt das Ziel vor – nicht ich als Coach. Ich unterstütze wertfrei dabei, dass dieses Ziel erreicht wird. Kannst du als Führungskraft wirklich genauso neutral sein? Also ich könnte und möchte trotz meiner Coachingerfahrung und diverser Coachingsausbildungen z.B. auch nicht neutral meinen eigenen Mann coachen, wenn er sich mit dem Gedanken tragen würde, einen Job im Ausland anzunehmen. Ich hätte da höchstwahrscheinlich einen Interessenskonflikt.

 

Was ich hingegen als sinnvoll und als absoluten Mehrwert bis Must-Have in einer Leitungsrolle empfinde und wo es eben doch Schnittmengen zwischen Coaching und Führung gibt oder geben sollte:

 

·       Kenntnisse über Kommunikationsmodelle und verschiedene Persönlichkeitstypen

·       Methoden zur Konfliktlösung und zum Perspektivwechsel

·       eine wertschätzende und wohlwollende Haltung verbunden mit der festen Überzeugung, dass jedes menschliche Verhalten einen guten Grund hat

·       dem Ansatz, dass es gilt, Stärken zu stärken und zu gucken, wo sich diese am besten entfalten, anstatt an den (vermeintlichen) Schwächen von Mitarbeitenden „rumzudoktern“

 

 

Wie siehst du das – wann gehen Coaching und Führung für dich zusammen und wann nicht? 

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