Ein Plädoyer für den zweiten Blick und das Nicht-Verbiegen

So oft liest man Sätze wie „Die ersten 30 Sekunden im Bewerbungsgespräch entscheiden über Ihren Erfolg“ oder Artikel wie „Die größten Fehler im Vorstellungsgespräch“. Und sehr viele Menschen auf Jobsuche verunsichert das enorm. Im Bewerbungscoaching ist das Thema „Vorbereitung auf Interviews“ ein sehr großes und oft auch Angst besetztes.

 

 

Aus über 2000 Vorstellungsgesprächen, die ich in meinem ersten Berufsleben als Personalerin geführt habe, ziehe ich die zugegebenermaßen etwas banale und für viele Bewerber vielleicht auch unbefriedigende Erkenntnis: Es gibt kein Patentrezept. Was ich allerdings allen meinen verunsicherten Klienten im Coaching sage: Ich habe in den seltensten Fällen innerhalb von 30 Sekunden entschieden, ob ich einen Menschen für eine Stelle als passend oder unpassend einschätze. Bei aller Berufs- und Lebenserfahrung und auch guter Menschenkenntnis, die man in der Personalarbeit mitbringen sollte: wie anmaßend ist es bitte, zu meinen, einen Menschen nach 30 Sekunden einschätzen, einordnen und aussortieren zu können? Zumal es sich wahrscheinlich die wenigsten Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels leisten können, einen qualifizierten Bewerber abzulehnen, weil der Personaler nach 30 Sekunden eine Entscheidung aus dem Bauch heraus getroffen hat.

 

 

Meiner Meinung nach ist ein Mensch viel zu komplex, um ihn nach so kurzer Zeit abschließend beurteilen zu können. Oder haben Sie nicht auch enge und liebe Freunde, die sie vielleicht auf den ersten Blick beim Kennenlernen gar nicht so sonderlich sympathisch fanden? Und kennen Sie das nicht auch, dass Sie manchmal überrascht sind von Menschen – positiv wie negativ – die Sie gut zu kennen glauben? Haben Sie sich nicht auch schon mal auf den zweiten oder gar dritten Blick verliebt? Und ist es nicht ein feiner Charakterzug, Menschen erstmal wertfrei begegnen zu können und ihnen (zweite) Chancen zu geben?

 

Vielleicht ist ein hochintelligenter und sozial kompetenter Bewerber in Prüfungssituationen – und für viele ist ein Vorstellungsgespräch genau das! – nervös und im Arbeitsalltag ein sehr loyaler, engagierter Mitarbeiter?

 

 

Ebenso oft höre ich im Coaching Fragen wie „Welche Stärken/welche Schwächen darf man nennen?“ Auch hier gibt es leider (?) kein Patentrezept. Und auch, wenn das Wort „Authentizität“ ein inzwischen sehr überstrapaziertes ist, finde ich es hier sehr zutreffend: nur wer authentisch ist, hat eine Chance darauf, die für ihn geeignete Stelle im passenden Arbeitsumfeld zu finden.

 

Wenn Sie z.B. aus der Stellenanzeige herauslesen, dass es sich bei dem potentiellen Arbeitgeber um ein hippes Start-Up in einem sehr dynamischen Umfeld handelt und Sie von sich wissen, dass Sie eher für Bodenständigkeit, Konstanz und konservative Werte stehen, gibt es zwei Möglichkeiten. Sie können sich einfach nicht bewerben, weil Sie sich nicht verbiegen wollen und den Fokus eher auf klassischere Unternehmen legen. Oder aber Sie bewerben sich erst recht und verzichten bitte darauf, sich als unglaublich flexibel, kreativ und dynamisch darzustellen. Stattdessen könnten Sie z.B. im Bewerbungsgespräch oder auch schon vorab im Anschreiben herausstellen, dass Sie gut und gerne in einem schnelllebigen Umfeld, das geprägt ist von vielen Veränderungen, der Ruhepol wären, dessen Stärke es ist, Strukturen aufzubauen. Dann weiß das Unternehmen, was es bekommt und Sie haben sich nicht verbogen.

 

 

Lassen Sie uns gerne in einem Coaching Ihre Stärken herausarbeiten und Sie auf Vorstellungsgespräche vorbereiten, so dass Sie diese authentisch und sicher führen können.

 

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